27.10.2017

Immerhin schöne Landschaften

Schneemann
The Snowman
Großbritannien, USA, Schweden 2017.
Regie: Tomas Alfredson 

 

Im Jahre 2007 veröffentlichte der norwegische Autor Jo Nesbø das Buch "Snømannen". Zu dem Zeitpunkt war die Reihe um den alkoholkranken KommissFilmplakat zu "Schneemann", Quelle: Universal Picturesar Harry Hole schon recht beliebt, und so landete auch der siebte Kriminalfall für den Ermittler in den weltweiten Bestsellerlisten. Dieses Mal muss sich Harry Hole mit der Jagd auf einen Killer beschäftigen, der vorzugweise Frauen tötet, sie zerstückelt und als Erkennungszeichen den titelgebenden Schneemann zurücklässt. Es dauerte nicht lange, bis Hollywood auf den Roman aufmerksam wurde...waren doch skandinavische Krimis gerade schwer im Trend, und nach der Verfilmung des Buches "Verblendung" von Stieg Larsson (Fincher 2011) musste neuer Stoff her. Kein Geringerer als Martin Scorsese stolperte dann über diesen norwegischen Kriminalroman, und wollte eigentlich auch eigenhändig Regie führen, sagte aber dann doch aus Termingründen ab, blieb dem Projekt aber immerhin noch als ausführender Produzent verbunden. Als Regisseur wurde dann der Schwede Tomas Alfredson verpflichtet, dem ein oder anderen bekannt durch Filme wie "So finster die Nacht" (2008) und "Dame, König, As, Spion" (2011). Tja, leider muss man allerdings feststellen: Wenn sich Scorsese doch etwas mehr Zeit hätte freischaufeln und doch anstelle von Alfredson auf dem Regiestuhl Platz nehmen können, wer weiß was aus der Literaturverfilmung geworden wäre? Vielleicht etwas deutlich besseres als das, was wir nun auf der Leinwand betrachten können.

Ein top besetzter Kriminalfall 

Beim Blick auf die Besetzungsliste entgleitet dem Filmfan erst einmal ein Raunen. Michael Fassbender, Charlotte Gainsbourg und sogar Val Kilmer geben sich ein Stelldichein. Auch konnte mit dem Australier Dion Beebe ein oscarprämierter Könner hinter der Kamera verpflichtet werden, sorgte er doch unter anderem schon bei "Equilibrium" (Wimmer 2002), "Die Geisha" (Marshall 2005) oder "Gangster Squad" (Fleischer 2013) für eine opulente Bilderflut. Also kann ja eigentlich nichts schiefgehen, oder?

Zerrüttete Seelen in der ewigen Kälte  

Der Film beginnt auch durchaus ansprechend. Der Zuschauer wird in einem langsamen Erzählduktus an die Figuren und das Setting des Films herangeführt, und die Exposition nimmt ihren Lauf. Dabei fallen insbesondere die fantastisch fotografierten Bilder des Kameramanns auf, mit denen er es schafft, die Charakterisierung der Protagonisten voranzubringen und dabei gleichzeitig auch eine einmalige Atmosphäre zu schaffen.  Denn da passt wirklich alles: Die isolierten Schneewüsten Norwegens setzen einen melancholischen Grundton, der durch die wortkargen, aber ausdrucksstarken Gesichter der Schauspieler noch verstärkt wird. Überall wohin man blickt zeigt uns der Film eine dystopisch-zerrüttete Gesellschaft, Alkoholiker, elternlose Kinder, Gewalt im Haushalt, "The Snowman" zeichnet ein dunkles Bild Norwegens. Beim Zuschauer kommt so eine bedrückende Stimmung auf, ein idealer Nährboden für einen harten Krimi. Dann kann es also losgehen!

Wer hat die Handlung ermordet?

Könnte es zumindest. Jedoch bekommt der Zuschauer schnell mit, wo bei dem "Schnemann" das Problem liegt: Es gibt zu viele Löcher in der Handlung. Ich selber habe die Vorlage von Jo Nesbø leider nicht gelesen, und stand beim Betrachten des Films oftmals vor einem Rätsel. Einige Handlungselemente sind schlichtweg unverständlich, es scheint, als ob hier zentrale Elemente des Buches einfach weggelassen wurden. Das wirkt sich auch auf die Figuren im Film aus, deren Handlungen stellenweise einfach nicht nachvollziehbar sind und sich nicht aus dem Fluß des Films erklären lassen. Die Narration stockt und springt dann wieder scheinbar wahllos hin und her, zwischendurch tauchen immer wieder Rückblenden auf, die das Ganze für den Kinobesucher noch schwerer zu fassen machen. Aus den vielen Einzelteilen des Films formt sich einfach kein großes Ganzes, daher wirft "Schneemann" leider mehr Fragen auf, als er zu beantworten vermag. Und das ausgerechnet in einem Krimi, der auf eine befriedigende Auflösung abzielt - das funktioniert hier leider überhaupt nicht. Nachdem der Film im Kino gestartet war, scheint das auch dem Regisseur aufgefallen zu sein. Dem norwegischen Rundfunk NRK sagte er in einem Interview, dass beim Dreh einfach zu wenig Zeit zur Verfügung gestanden hätte und daher zehn bis fünfzehn Prozent des Drehbuchs nicht verfilmt werden konnten. Im Schnittraum wäre dann aufgefallen, dass dadurch viele Storylöcher entstanden seien, die man nicht mehr füllen konnte. Aha. Also wurde kein Nachdreh angeordnet, und wir Zuschauer bekommen einen unfertigen Film serviert? Mir fehlen die Worte.

Autor:  © http://www.weltdermedien.de 2017