03.10.2005
Märchenkrieg
Mathilde - Eine große Liebe
Un long dimanche de fiancailles
Frankreich, 2004.
Regie: Jean-Pierre Jeunet
Mit dem französischen Film konnte ich mich noch nie so recht anfreunden,
Ausnahmen gibt es nur wenige (unter anderem "Mon oncle" [Jaques Tati,
1958] oder "Les amants du Pont-Neuf [Carax, 1991]). Eine der aktuelleren
Unregelmäßigkeiten' war "Die fabelhafte Welt der Amelie"
("Le fabuleux destin d'Amélie Poulain" [Jeunet, 2001]). Dessen
inoffizieller Nachfolger läuft nun in unseren Kinos. Der Regisseur ist
der gleiche, genauso wie große Teile des Teams. Willkommen also zu Amélie
Nummer 2!
Amélie heißt nun Mathilde (wird aber trotzdem immer noch von Audrey
Tatou dargestellt) und lebt in der Bretagne Frankreichs des Jahres 1919. Der
erste Weltkrieg ist gerade vorbei, und Mathildes Verlobter, Manech (Gaspar Ulliel),
gilt als gefallen. Sie gibt die Hoffnung allerdings nicht auf, und begibt sich
auf die Suche nach ihm.
Gemäß der literarischen Vorlage entspinnt sich so eine Suche von
den Schützengräben an der Somme bis hin zur Pariser Unterwelt. Wie
schon bei Amélie tauchen viele skurrile Charaktere auf, die wie gehabt
zumeist in kurzen Flashbacks vorgestellt werden. Ein lyrisches Ich führt
den Zuschauer aus dem Off durch den Film und weiß allerlei Wissenswertes
und Unterhaltsames zu berichten. Viel hat sich also nicht geändert.
Große Teile des Films zeigen den brutalen Alltag in den Schützengräben,
was dem Film eine weitaus dunklere Note als Amélie verleiht. Und daran
scheitert er auch. Die Leichtigkeit und Fröhlichkeit, die uns 2001 noch
präsentiert wurde, verkehrt sich so ins Gegenteil. Der Charakter Mathildes
wird arg eindimensional und nicht wirklich aussagekräftig präsentiert,
und erstickt so mögliche Sympathie im Keim. Ein weiblicher Orpheus ohne
charakterliche Tiefe? Auch wenn Jeunet wieder stark den Computer bemüht
und den ganzen Film in einen zarten Sepia-Ton taucht, lässt dies nicht
mal ansatzweise eine romantische oder nostalgische Stimmung aufkommen. Die belanglosen,
aufgesetzt wirkenden Charaktere vermögen es nicht, der linearen Handlung
Leben einzuhauchen. Vielleicht sollte irgendjemand einmal dem Regisseur nahe
legen, dass es in Frankreich auch noch weitere Schauspieler gibt, außer
denen, die er auch in fast allen seinen anderen Filmen bemüht? Schon nach
kurzer Zeit machte sich bei mir Langeweile breit, denn trotz solider Machart
vermag der Film nichts Neues zu bieten, geschweige denn, den Zuschauer zu fesseln.
Ein Drama ohne Seele, eine Liebeskomödie ohne Herz und Esprit.
Die einzigen Lichtblicke, nämlich die eingestreuten komischen Stellen,
die Amélie so liebenswert machten, wirken hier einfach nur deplaziert,
als hätte sich Jean-Pierre Jeunet nicht entscheiden können, ob er
einen eigenständigen Film machen soll oder nur eine schnöde Kopie
seines Erfolgsfilms. So ist "Mathilde" nichts Halbes und nichts Ganzes,
und das vernichtet den Filmgenuss vollends. Alles wirkt statisch und unnahbar,
eine Immersion kann kaum stattfinden. Ausserdem gehen weite Teile des Sprachwitzes
in der Synchronisation verloren, so zum Beispiel der Name des von Mathilde engagierten
Detektivs, Germain PIRE (Ticky Holgado).
Als Fazit bleibt so ein belangloser Film, den ich nichteinmal auf DVD empfehlen
kann, höchstens noch als Einschlafhilfe. Gute Nacht, Monsieur Jeunet.
Autor: © http://www.weltdermedien.de 2005