03.10.2005
Auf Kosten der Schwächeren
Fahrenheit 9/11
Fahrenheit 9/11
USA, 2004.
Regie: Michael Moore
Wenn es nicht so todtraurig wäre, wäre es zum Lachen. So zeigt
es uns auch der nach "Bowling for Columbine" (Kanada/USA 2002) neue
Film von Michael Moore.
Zu Beginn wird dem Zuschauer in durchaus unterhaltsamer Form der angebliche
Wahlbetrug bei der Wahl zum neuen US-Präsidenten, dessen Amtsantritt und
die erste Zeit seiner Regierung präsentiert. Hierbei geht Moore weitaus
professioneller zu Werke als noch bei seinen früheren Dokumentationen wie
zum Beispiel "The big one" (USA 1997). Den Rezipienten wird eine gut
komponierte Reihe aus Fernsehbeiträgen, Interviews, Amateueraufnahmen (keine
Dokumentation ohne Handkamera) und ähnlichem Material präsentiert.
Natürlich entbehrt diese Inszenierung, wie von Michael Moore gewohnt, nicht
einer gewissen Polemik, die er auch gerne offen zur Schau stellt. Auch nimmt
er hier insbesondere die Medien selber aufs Korn, verdeutlicht durch mehrere
Zitate klassischer amerikanischer TV-Serien (u.a. Bonanza). Und das nicht ohne
Grund: Er stellt die Medienwelt ganz klar als bereitwilliges Machtinstrument
der Oberschicht, respektive Herrschenden, dar.
Es werden auf gewohnt sarkastische und bissige Weise politische und wirtschaftliche
Hintergründe der Bush-Familie und anderen hohen Regierungsangehörigen
durchleuchtet, und deren Zusammenhang mit der Präsidentschaftswahl und
den folgenden Ereignissen aufgezeigt.
Langsam schleichend jedoch verliert der Film seinen ironischen Einschlag und
wird zunehmend von einer ernsten Stimmung beherrscht, spätestens als es
zu den Ereignissen des 11. Septembers 2001 kommt, ist der Humor vollends in
den Hintergrund getreten.
Die Anschläge selber werden nur als Ton dargestellt, während der Film
die Leinwand schwarz lässt. Ein interessanter Kniff, denn die Bilder selber
hat wohl jeder noch vor seinem inneren Auge, und Schwarz ist ja auch nicht zuletzt
die Farbe der Trauer. Moore zeigt die Trauer der Bevölkerung und die Hilflosigkeit
der Regierung, insbesondere des Präsidenten, aufs Eindringlichste.
Es folgt die Darstellung der von niederen Beweggründen (Geld, Macht) beeinflussten
Suche nach dem Sündenbock, der schließlich im Irak gefunden wird.
In den auf den 19. März 2003 folgenden Geschehnissen führt Michael
Moore dem Zuschauer gnadenlos das brutale Gesicht des Krieges vor Augen, und
der Fokus des Films wechselt auf die Leidtragenden, sowohl auf irakischer als
auch auf amerikanischer Seite. Natürlich wird hier stark mit den Emotionen
des Betrachters gespielt, um einen gewünschten Effekt zu erzielen. In meinen
Augen ist dies aber nicht verwerflich, denn durch diese, teilweise recht harten
Bilder dringt Moore auch zum abgestumpftesten Medienkonsumenten durch, und bringt
diesen zum Nachdenken. Und das ist meiner Meinung nach das Ziel Moores, weshalb
ich sein teilweise unwissenschaftliches und polemisches Arbeiten nicht verurteilen
möchte. Denn kann etwas schlecht sein, wenn es Menschen zum Überlegen
bringt?
Positiv ist mir aufgefallen, dass sich Moore nicht nur an eine Sichtweise der
Geschehnisse binden möchte, sondern versucht, möglichst viele Perspektiven
und Meinungen aufzuzeigen. Der Zuschauer wird quasi an die Hand genommen und
zur eigenen Meinung geführt. Nanny Moore? Ganz so extrem ist es zwar nicht,
aber zeigt uns das tägliche Fernsehprogramm nicht genau dessen Notwendigkeit?
Aber das ist wohl ein anderes Thema.
Autor: © http://www.weltdermedien.de 2005