03.10.2005

Die letzten Tage

Der Untergang
Deutschland 2004.
Regie: Oliver Hirschbiegel


Mit diesem Film erscheint endlich mal wieder ein deutscher Beitrag zum Themenkomplex des zweiten Weltkrieges. Denn neben den Klassikern "Die Brücke" (Wicki 1959) und "Das Boot" (Petersen 1981) und dem eher durchschnittlichen "Stalingrad" (Vilsmaier 1993), sind die deutschen Beiträge zu diesem Thema in den letzten vierzig Jahren leider rar gesät.

Um so mehr wurde es Zeit für diesen Film. Oliver Hirschbiegel ("Das Experiment" 2001) wagte sich an die Aufgabe heran, das hauptsächlich auf literarischen Vorlagen von Joachim C. Fest, Traudl Junge und Melissa Müller beruhende Drehbuch von Bernd Eichinger zu verfilmen. Dieses beschreibt die letzten Tage des nationalsozialistischen Deutschlands, welches einen verlorenen Krieg kämpft, während sich die Verantwortlichen im tief unter der Erde gelegenen Führerbunker verstecken. Was sich dort abspielte, sollte weithin bekannt sein.

Die Person der Traudl Junge gibt dem Film eine Rahmenhandlung, mit ihr eröffnet und endet der Film. Sie ist auch die eigentliche Hauptperson, und führt den Zuschauer durch die Geschichte. Die Rolle der Frauen ist insgesamt als die dominante anzusehen, denn neben Hitlers Sekretärin sind auch Magda Goebbels und natürlich Eva Braun die am stärksten gezeichneten Rollen, die auch den von Bruno Ganz grandios verkörperten Hitler teilweise zur Nebenfigur verkommen lassen. Sehr schwach ist allerdings die Darstellung des Propagandaministers Josef Goebbels, die ihn selten über einen kaum merklichen Schatten im Hintergrund herauskommen lässt.

Die Szenen des Films präsentieren sich oft als ein Tanz auf dem Vulkan, ein Leben zwischen einer gewissen Dekadenz im Führerbunker und dem außerhalb tobenden Krieg. So werden Szenen wilder Orgien kontrastierend mit harten Schnitten an brutale Kampfszenen gefügt. Es wird viel Leid, Brutalität und Wahnsinn gezeigt, doch die Fratze des Krieges ist schließlich gnadenlos und hart, daher ist dies durchaus vertretbar.

Hitler selber wird oft sehr zwiespältig präsentiert, in manchen Momenten ist er sich des sicheren Endes bewusst, und nur Minuten später plant er schon zum Beispiel in Bukarest neue Ölquellen für den Kampf nach der Befreiung Berlins aufzutun. Der Film wird jedoch über weite Strecken allein von der fesselnden Performance Bruno Ganzs getragen, der es vermag, dem Dämon Hitler auch Gefühle zu verleihen, die ihn menschlich erscheinen lassen. Einzig der körperliche Verfall Hitlers hätte von der Maske deutlicher dargestellt werden müssen. Jedoch ist dieser Film meines Wissens nach der erste, der eine so nahe Darstellung der führenden Nationalsozialisten zulässt. Dies ist auch die Grundlage für viele Diskussionen im Umfeld des Filmes: Sollte man solchen verblendeten Bestien ein menschliches Gesicht geben?

Doch auch die Widerwärtigkeit dieser hochrangigen Nazis wird deutlich gezeigt, so sagt Hitler in einer Szene: "Ich kann kein Mitgefühl empfinden. Wir haben das deutsche Volk nicht gezwungen, es hat uns beauftragt." Die Dialoge des Films sind übrigens fast alle durch Quellen belegt, zum Beispiel durch Autobiographien, Tagebücher und Interviews mit Überlebenden (unter anderem mit Hitlers Fahrer Erich Kempka und seinem Adjutant Günsche).

Ich hatte das Glück, an einer im Anschluss an die Vorstellung abgehaltenen Diskussion teilnehmen zu dürfen, die von einem Geschichtsdozent der Universität Hildesheim, Professor Manfred Overesch, geleitet wurde. So kann ich auch sagen, dass der Film nicht unrealistisch ist, denn es kann sich alles tatsächlich so zugetragen haben. Kritik wurde allerdings an der Charakterzeichnung des Professor Ernst Günther Schenck geübt, der im Film in einem positiven Licht erscheint. In Wirklichkeit war dieser der Ernährungsinspekteur der Waffen-SS und testete im Konzentrationslager Mauthausen eine für die Frontsoldaten entwickelte Ernährung, die jedoch etliche KZ-Insassen das Leben kostete. Ergo wird diese Person im Film in falscher Weise dargestellt, was in meinen Augen in keinster Weise gut zu heissen sein sollte.

Mit dem Untergang kommt ein neuer Anfang, und hier bedeutete der Untergang des dritten Reiches einen Neubeginn der Freiheit. Dieser Neubeginn sollte das Antlitz der Welt grundlegend verändern, und um unsere heutige Welt verstehen zu können, muss man auch an ihren Anfang schauen. Dazu regt dieser Film an, und ich kann nur jedem empfehlen, ihn anzusehen. Wenn das Interesse geweckt werden sollte, sich mehr über die Geschichte zu informieren, um sich mit ihr auseinandersetzten zu können, dann ist der Film ein voller Erfolg. Auf ins Kino!

Autor: © http://www.weltdermedien.de 2005