03.10.2005
Es weihnachtet sehr
Bergkristall
Deutschland 2004.
Regie: Joseph Vilsmaier
Joseph Vilsmaier bleibt sich mit seinem neuen Film "Bergkristall"
treu, denn auch hier finden sich die bewährten Stilmittel, die schon Filme
wie "Schlafes Bruder" (1995) oder "Herbstmilch" (1988) auszeichneten:
erneut wird der Zuschauer in ein ländlich-agrikulturelles Gebiet vergangener
Zeiten entführt. Die Handlung des Films basiert auf der gleichnamigen Erzählung
von Adalbert Stifter, welche um 1845 entstand.
Nach einer kleinen, in der Gegenwart spielenden Einführung (mit mehr als
kurzen Auftritten von Katja Riemann und Herbert Knaup) geht es direkt in medias
res, also in eine Geschichte um zwei verfeindete Bergdörfchen, in deren
Streit eine Familie zwischen die Fronten gerät.
Ein Schuster aus dem ärmeren Dorf Gschaid ehelicht eine Färberstochter
aus dem reicheren Millsdorf, und sie ziehen gemeinsam nach Gschaid. Dort gebärt
sie zwei Kinder, Konrad und Susanna, die, wie auch die Mutter, im Dorf nicht
akzeptiert werden. Die Jahre vergehen, und der Druck auf die kleine Familie
wächst, so dass die Mutter der Kinder sich vorerst nach Millsdorf zu ihren
Eltern zurückziehen muss. Die Kinder bleiben beim Vater in Gschaid, und
wandern jeden Sonntag über den Bergrücken nach Millsdorf zur Mutter.
So brechen sie auch am 24. Dezember auf, kommen jedoch nicht wieder in Gschaid
an...
Daraus entwickelt sich ein schönes Weihnachtsmärchen, und damit der deutsche Beitrag zum heiligen Fest im Kino dieses Jahres. Hollywood setzt zur Zeit wieder auf die üblichen Komödien ("Verrückte Weihnachten", 2004) und Zeichentrick ("Der Polarexpress", 2004 ). Daher empfand ich Vilsmaiers "Bergkristall" als erfrischenden Weihnachtsfilm, der endlich einmal nicht die typisch amerikanische Moralkeule schwingt. Natürlich kommt auch dieser Film nicht gänzlich ohne Kitsch aus, aber das gehört ja auch irgendwie zu dieser Jahreszeit. Das Werk wirkt dank langer Kamerafahrten und großer Tiefenschärfe der wunderschönen Landschaft sehr angenehm und entspannend, und trotzdem wird es nie langweilig. Die Darstellung ländlicher Gesellschaft des 19. Jahrhunderts wirkt in meinen Augen rund und glaubwürdig, und daher an keinen Stellen aufgesetzt.
Wer mag, kann auch viele Andeutungen und Symbole finden, so liegt zum Beispiel ein Vergleich der Eishöhle mit einem gewissen Stall in Betlehem nahe.
Hervorhebenswert scheinen mir die Soundeffekte des Films, denn die Eisschichten krachen wirklich bedrohlich, und Lawinen kündigen sich schon Minuten vor ihrem Erscheinen auf der Leinwand durch ein unheilvolles Donnern an, was die Spannung mitunter stark erhöht.
So bleibt am Ende eine schöne Weihnachtsgeschichte, die sich stark vom
medialen Overkill amerikanischer Pendants unterscheidet. Vilsmaier setzt eher
auf die subtilen Töne, ohne jemals zu dick aufzutragen. Wer also einen
stimmigen Film zum Fest sucht, ohne sich in die Fänge von Santa oder dem
Grinch begeben zu müssen, der ist hier richtig. Ich jedenfalls war positiv
überrascht.
Autor: © http://www.weltdermedien.de 2005