18.09.2007

Aufgewärmtes

Die Familie Schroffenstein
von Kleist, Heinrich: Die Familie Schroffenstein
Premiere am 15.09.2007 im Stadttheater Hildesheim.
Regie: Bettina Rehm 

Lange hat es gedauert, und nun war es soweit: Nach jahrelanger Vorbereitungszeit eröffnete der Stammsitz des nagelneuen Theater für Niedersachsen, im ehemaligen Hildesheimer Stadttheater. Und das TfN startete mit einem alten Werk in die neue Zeit, mit Heinrich von Kleists „Familie Schroffenstein“. Dieses Werk zählt zu den eher unbekannteren Kleists, und wurde am 9. Januar 1804 in Graz uraufgeführt.

Die Handlung erinnert etwas an Shakespeares „Romeo und Julia“, beziehungsweise an dessen Vorläufer „Pyramus et Thisbe“ von Ovid. Denn es geht um zwei Clans ein- und derselben adeligen Familie, die sich im Streit um das Erbe feindlich gegenüberstehen. Und, wie nicht anders zu erwarten: Die Situation eskaliert, als dann auch noch ein angeblicher Kindsmord und natürlich die Liebe zwischen die Fronten geraten…und nichts wird so sein, wie es früher war. Perfekter Daily-Soap-Stoff also.

Der Ursprungstext von Kleist handelte noch im feudalen Mittelalter, aber das das ja nicht mehr so ganz zeitgemäß ist, die Themen jedoch nach wie vor aktuell sind, wurde die Handlung für die Inszenierung im Theater für Niedersachsen kurzerhand in die Gegenwart übertragen. Aus der adeligen Familie wurde eine Art Mafia-Clan, die Vasallen wurden zu Bodyguards und aus den Dolchen wurden Knarren. Der Text selber ist zwar etwas gekürzt, aber in weiten Teilen in der ursprünglichen Version gelassen worden. Dadurch kommt es zu einer interessanten Wechselwirkung zwischen sprachlicher Vergangenheit und aktueller Inszenierung…wie es auch beispielsweise schon die neue Verfilmung von „Romeo und Julia“ (Luhrmann 1996) vorgemacht hat. Der Schnittpunkt zwischen Zeit und Raum ist in der Bar eines Hotels gelegen, in der das Stück – fast schon kammerspielartig – ausschließlich abläuft.

Die während des laufenden szenischen Vorspiels zu ihren Plätzen geströmten Zuschauer müssen dann im ersten Teil der „Familie Schroffenstein“ Sitzfleisch beweisen…denn die Handlung wird recht langatmig aufgebaut. Hier hätte ein wenig Straffung wahre Wunder gewirkt, denn in Kombination mit dem nicht wechselnden Bühnenaufbau kann schon mal eine gepflegte Langeweile aufkommen. An den Darstellen liegt das allerdings nicht, denn die bieten eine solide Leistung. Mein Tipp: Lesen Sie den Anfang des Stück in einem der klassischen, gelben Reclam-Heftchen, und kommen Sie besser erst nach der Pause, denn dann bietet sich weitaus mehr Aktion auf der Bühne. Plötzlich geht es hoch her, und die in der ersten Hälfte vermisste Dynamik taucht dann doch noch auf. Und mehr noch: Plötzlich bietet das zuvor arg steife Stück sogar noch einige Lacher.

Letztendlich wird deutlich, warum die „Familie Schroffenstein“ bisher eher ein Nischendasein im Kleistschen Werkskatalog gefristet hat. Die Handlung bietet nur Altbekanntes, und die Inszenierung im Theater für Niedersachsen erweist sich als zu dröge. Durch eine eher halbherzige Modernisierung des Stoffes wirkt die erste Hälfte der Aufführung etwas fußlahm, und erst in der zweiten Hälfte wird deutlich, was man aus der Vorlage eigentlich noch so alles hätte machen können.

 

Passend zum obigen Artikel ist hier der erstmals am 18.09.2007 auf Radio Tonkuhle ausgestrahlte Beitrag von Christoph Münch als MP3 zu hören.

 

Autor: © http://www.weltdermedien.de 2007